Einige Erfahrungen und Tipps, im Umgang mit den wunderbaren Wiener Hochflugtauben und ihrem grössten Feind, dem Wanderfalken.

 

 Wie eine Vielzahl von uns Flugtaubenzüchter, zähle auch ich mich zu den sehr stark Betroffenen, die grosse Störungen und Verluste durch den Wanderfalken hinnehmen müssen. In der schönen, sehr sonnigen, meist nebelfreien Region des Oberbaselbiets dürfen meine Flieger auch in den Wintermonaten ihren Freiflug geniessen. Leider und natürlich, findet auch der Wanderfalke an dieser Situation Gefallen.

Ob sich durch diese „natürliche Selektion“, meine Wiener positiv oder negativ entwickelt haben, möchte ich folgendermassen  beurteilen:

Die negativen Punkte sind uns ja allen sehr wohl bekannt und einfach aufzulisten:

  •  Grosse Verluste beim Eingewöhnen und Einfliegen der Jungtauben.
  • Dauernde Bedrängung unserer Flugtauben!
  • Verletzte Tauben die noch zurückkehren, aber verarztet, genäht oder gar getötet werden müssen.
  • Tauben die nicht mehr fliegen wollen und sich nur mit Nachhilfe ihres Betreuers aus dem Schlag begeben. (Würden wir in einem Gewässer schwimmen, wo wir Haie vermuten?)
  • Schon die Jungtauben bemerken natürlich die Anwesenheit der Raubvögel aus den Abflugkästen und Volièren.
  • Gute Hochflugstämme fliegen nur noch äusserst nervös und verängstigt um die Hausgiebel und Baumwipfel.
  • Preisflüge sind mangels geregelten Trainings kaum mehr möglich!

Ich brauchte lange, aber ich versuche nun diesen Tatsachen auch Positives abzugewinnen!


 

Aus meiner Jugendzeit, Mitte des letzten Jahrhunderts, erinnere ich mich, dass die Züchter von Hochflugtauben auch mit ihren Zuchttieren flogen. Meistens war nur ein Schlag vorhanden und alle Tauben wurden gejagt. Der Wanderfalke war zu dieser Zeit immer präsent, aber in einem wesentlich verträglicheren Mass. Heute müssen wir mit dem WF und seinen Dauerangriffen leben! Mein Ziel war immer schon, wieder einen Wiener-Typ mit einem gewissen Naturinstinkt zu haben. Aehnlich den Feldtaubenrassen auf den Bauernhöfen, die sich eine eigene Strategie zulegten, um nicht von den fliegenden Räubern erwischt zu werden. Wollen wir unsere Hochflug-Tauben weiterhin im Freiflug sehen, müssen wir von den Preisfluggedanken eher wegkommen. Tauben, die stundenlang ihre monotonen Kreise ziehen, werden in Gebieten, wo der WF wieder heimisch ist, kaum überleben. Und wo ist er dies nicht?

Fördern wir also die Eigenschaften, die noch in unseren Wiener Hochfliegern stecken! Ihr Vermögen mit engen Kippen und Wendungen, spiralförmigen Stürzen und schnellem Anstieg zu parieren, ist bei den meisten Stämmen, wenigstens noch latent, vorhanden.  Durch eine gezielte Zucht in dieser Richtung sollten diese Tauben nie ein Ausstellungstauben- und Volieren-Dasein fristen müssen.

Schon das Vorhandensein eines Ausstellungsstandards birgt gewisse Gefahren. Wiener Hochflug- Tauben gehören eigentlich nicht in den Ausstellungskäfig. Sie sollen ausschliesslich nach ihrer Leistung beurteilt werden. Zugegeben, auch ich behalte, bei zwei mir gleichwertig erscheinenden Tieren, dass mir optisch besser Zusagende.

Während noch vor einigen Jahren, meine Tauben beim entfernten Auftauchen eines dunklen Vogels sofort in alle Himmelsrichtungen verstoben, sind sie heute wesensfester und wendiger geworden. Schon eine, auf den Schwarm zufliegende Brieftaube, versetzte die Tiere in Fluchtstimmung. Heute lassen sich die Tauben nicht mehr so leicht verjagen. Ganze Stiche habe ich, durch das den Wienern oft nachgesagte Abdrehen, nie mehr verloren. So fassen die Tauben nach dem Auftauchen eines WF schnell wieder zusammen. Manchmal bilden sich zuerst erneut kleine Stiche in verschiedenen Höhen, die sich später vereinen. Instinktiv scheinen die Tauben zu wissen, dass Ihnen der enge Stich einen grösseren Schutz bietet. Nur selten ist ein WF beim ersten Angriff auf einen grossen Pulk erfolgreich. Er durchsticht den Taubenschwarm, kann aber durch die Vielzahl von Tieren keine Taube genau anpeilen.

Einige suchen als erste Reaktion immer ihr Heil im Sturzflug und verstecken sich irgendwo, oder sie landen bestenfalls auf unserem hohen Dachgiebel. Meistens warten sie dann dort die Ankunft weiterer Kollegen ab, oder verschwinden blitzschnell im Einflug.
Einige Erfahrungen und Tipps im Umgang mit den wunderbaren
Tauben die sich nicht im Stich halten und immer wieder ausscheren, sind oft die ersten Opfer. Der WF peilt gerne die einzeln fliegenden Tauben an.

Gewünscht wären diejenigen Tauben, die auf der Höhe des Falken, oder darüber bleiben.  Wenn er nämlich nicht aus einem steilen Winkel beschleunigen kann, hat er eine geringe Erfolgschance und gibt seine Attacken nach einigen Versuchen, meistens auf.

Würden nur diese Sofort-Stürzer und Solisten Opfer des WF, wäre dem Züchter eine unangenehme Selektion abgenommen. Für mich gilt es, solche Tauben die dies immer wieder tun, zu eruieren und sicher nicht in die Zucht einzustellen. Doch auch wir sind manchmal unpässlich! Also nicht gleich eine nicht mehr gut zu machende Tat begehen. Beobachten geht hier vor!

Doch wie erkenne ich, oder wie stelle ich fest, ob es sich immer um die gleiche Taube handelt?

Bei Stichen von 30 und mehr Tieren keine Leichtigkeit!  Mein Schlag ist umgeben von hohen Häusern, auf denen sich die Jungtauben gerne niederlassen.

Ich liebe es halt, grosse Schwärme am Himmel zu bewundern!

 Hier die beiden von mir angewandten Methoden:

Mit Markierfarben, wie sie in der Nutztierzucht verwendet werden, färbe ich die Tauben unter den Flügeln ein. So markiere ich rote, grüne und blaue Zuchtlinien. Durch das Sprayen entstehen weiter verschiedene, gut zu erkennende Musterungen. Kreuzungstieren, z. B. einer Taube aus Linie blau/grün, färbe ich den linken Flügel blau, den andern grün. Es bestehen in der Folge viele Möglichkeiten, die Tauben schon in der Luft und vor der Landung, wenn nötig mit dem Fernglas, zu erkennen. Ich kann so Unterschiede im Verhalten der einzelnen Zucht-Linien erkennen. Vor allem einzelne Tauben, die nicht im Stich bleiben und dauernd ausscheren.

Eine weitere Methode wäre, den Tauben die letzten Ziffern ihrer Ringnummer auf den Flügelschild zu tupfen. (Eignet sich, um nicht lange mitfliegende Tiere zu erkennen) Mit einem eher dicken, wasserfesten Filzstift lässt sich diese Arbeit gut bewerkstelligen. Auch hier lässt sich dann die Taube mittels Fernglas, auch auf weitere Distanz, gut bestimmen, sobald sie sich niedergelassen hat. Diese Methode hat mir vor vielen Jahren geholfen, meine Zucht auf den heutigen Stand zu bringen.

Als Aesthet muss ich aber zugeben, dass unbehandelte Tauben schon besser aussehen. Die folgende Mauser behebt aber diesen Mangel wieder auf natürliche Art.

Dass sich der Wanderfalke oder andere Raubvögel durch diese Malereien, wie oft behauptet, von ihren Zugriffen abhalten lassen, würde ich aber definitiv verneinen.

Ich bin mir sicher, dass der Druck durch den WF, die Wendigkeit der Flieger eher gesteigert und eine Aenderung des Flug-Stils bewirkt hat. Die Tauben schwenken und wenden wesentlich rassiger! Sogar meine Flugkiebitze, die einen ruhigeren Flug haben, schaffen es meistens, dem WF zu entwischen.

Nur, gar keine Verluste wird es nie geben!

Runden- und Langzeitflüge kann und muss man also im Wanderfalkenland kaum mehr erwarten. Preisflüge gelingen, wie schon erwähnt, leider nur noch selten und werden fast immer durch den WF unter- oder ganz abgebrochen. Immer wieder ärgere ich mich und rege mich wahnsinnig auf wenn der „fliegende Gepard“ erscheint. Vielfach im Doppelpack, oder im Frühjahr, in Begleitung der ganzen Brut.

Eigentlich ein faszinierendes Naturschauspiel, wären es nicht meine geliebten Wiener Hochflieger die da involviert und verfolgt sind!

Es gibt WF, vor allem Weibchen, die sind fast täglich erfolgreich! Wenn dann gar so ein Paar in der Nähe brütet, braucht es Züchter mit Durchhaltevermögen. Einige Jahre hatte ich Sichtverbindung zu einem Horst an der Sissacher Fluh. In dieser Zeit, da habe ich 30 und mehr Jungtauben beim Einfliegen verloren.

Auch ich war da nahe daran, das Handtuch zu werfen und die Flugtaubenzucht an den berühmten Nagel zu hängen!

Ich erfreue mich aber weiterhin an meinen glitzernden „Diamanten der Lüfte“. Im Schlag sind Wiener Hellstörche durch Ihre schlichte, rassige Figur, Form und Farbe eh eine Augenweide! Ihr Temperament und ihre Vitalität erfreuen mich immer wieder aufs Neue.

Wie kann ich aber aus meinen eigentlich sehr guten Tauben, die Stress-Resistenten selektieren?

Gruppe in Abflugkäfig
Gruppe in Abflugkäfig

 Durch meinen Zuchtfreund und  „Kunstflugtaubenzüchter“ Christian, der seine Tauben 2000 Meter Luftlinie von mir entfernt fliegt und praktisch keine Verluste zu verzeichnen hat, bin ich auf die Idee gekommen, mit kleineren Trupps zu fliegen.

Meine beiden Jungstiche sind geschrumpft, weil sie eben immer angegriffen werden, sobald sie in Flimmerhöhe sind. Meistens bekomme ich nicht viel mit, ausser wenn der Falke bis in die untere Höhe nachsticht.

Kleingruppe Hellstörche

Kleingruppe HellstörcheMeine Versuche gehen jetzt dahin, dass ich nur 5 bis  8 Tauben, möglichst verwandt oder aus der gleichen Linie, zusammen fliegen lasse. Ich möchte so auch Unterschiede von äusserlich fast gleichen Taubenfamilien feststellen. Dazu setze ich die bestimmten Tauben, nach der Handkontrolle und Notierung der Ringnummer, unter einen Käfig vor einem Fenster meines Taubenhauses. Ein paar Körner und die Tiere beruhigen sich schnell und picken nach dem Futter. Durch hochkippen des Gitters starte ich dann den kleinen Trupp.

Unterschiede stelle ich hier in der Aufstiegsgeschwindigkeit,  Zusammenhalt des Stiches etc. fest. Was weniger gut zu beurteilen ist, ist das Schwenkverhalten, das im grossen Stich eindeutig stärker oder augenfälliger ist. Die Falkenangriffe erfolgten auch, zwar etwas später, da mein jetziger „Freund WF“ seinen Standort etwas weiter entfernt zu haben scheint. Ein grosser Pulk ist natürlich auch für Flugfeinde schneller zu erkennen. Leider funkeln auch nur 6 weisse Tauben noch zu stark!  Aus zwei 6er Gruppen habe ich je eine Taube verloren. Was meine Theorie der Peilgenauigkeit des WF, bei weniger oder einzelnen Tauben, bestätigen würde. Ferner fassen die Tauben nach dem Angriff sehr schnell zusammen und stürzen interessanterweise praktisch nie zum Schlag zurück.

Wir hatten gegen Ende 2013, eine so stabile Schön-Wetterlage, die es erlaubte, die Tauben wirklich täglich zu fliegen und zu vergleichen. Dies im Dezember! Bis vor zwei Jahren war ich berufstätig, meine Tauben sahen mich da höchstens 5 Minuten pro Tag und nur in den späten Abendstunden. Nun, man muss schon fast Rentner sein, um von solch zeitaufwändigen Vorteilen und Versuchen profitieren zu können. Mir ist aber bewusst, dass die Zeit zu kurz war, um wirklich verbindliche Schlüsse aus diesen Selektions-Flügen zu ziehen! Immerhin brachten sie mir neue Erkenntnisse!

Jetzt, anfangs Januar sind die Angriffe des Wanderfalken äusserst intensiv geworden. Er hat sich förmlich auf meinen Schlag eingeschossen. Ich hoffe, er macht seinem Namen alle Ehre und wandert weiter. So lange bleiben meine Tauben im Schlag, denn ich möchte keine weiteren Tiere opfern. Es tut weh, wenn man Tauben, die man kurz vorher noch in denn Händen hielt, so verlieren muss. Die Beziehung ist nicht die Gleiche, wie wenn man eine Taube aus dem grossen, eher anonymen Stich verliert!

 

Mal sehen wie es mit der Winterfliegerei weitergehen kann!

 

In dem kurzen Video oberhalb, das ich mit meinem Iphone, so quasi aus dem Hüftanschlag, aufnehmen konnte, zeige ich einen Angriff des Habichts, sowie eine erfolgreiche Attacke des Wanderfalken. Dies passierte im Zeitraum von wenigen Minuten! Damit kann ich auch Behauptungen gewisser Leute entkräften, die meinen, der WF greife nur in oberen Höhen.

 

Schreibe einen Kommentar