Auf den Spuren meiner Lieblingstauben, oder Wien ist immer eine Reise wert!

 

Nach einer wunderschönen, gemütlichen Fahrt durch Österreich mit unbestimmtem Ziel, landeten wir im schönen Wien. Natürlich hatte ich, langjähriger Liebhaber und Züchter von Wiener Hochflugtauben, mich auf diese Eventualität vorbereitet und vorsorglich einen Zettel mit Züchteradressen mitgenommen.  Durfte ich Wien wieder verlassen, ohne echte Wiener-Tauben in ihrer Heimatstadt gesehen zu haben? Also nahm ich Kontakt mit, dem uns vom Videoforum für Kleintiere bekannten Tierfilmer, Peter Heindl auf. Mit einer bei uns Schweizern manchmal wünschenswerten Spontaneität, war er, obwohl überrumpelt, sofort bereit, einige Züchterbesuche zu organisieren. Schon am andern Tag rief er mich zurück um mit mir den Termin zu besprechen und unsere Abmachung zu treffen. Wegen dem 1. Mai, der in Wien als Sonntag gilt, waren die meisten Züchter nicht erreichbar. Doch schon am folgenden Mittag wurde ich dann von Ernst Sacher und Peter Heindl vor dem Hotel Sacher in Empfang genommen. Meine Frau verabschiedete sich gerne von mir, konnte sie doch nun, ohne vorauseilenden, ungeduldigen Ehemann, die Auslagen der Geschäfte in Wiens Fussgängerzone geniessen.

Auf der Fahrt stadtauswärts,  zum ersten Hochflugzüchter war ich mit meinen beiden einheimischen Reiseführern natürlich bestens beraten und bedient. Wie Profis erklärten sie mir dies und jenes, wie man es eben sonst ohne Fremdenführer nicht erleben würde. Natürlich waren bald die Hochflug-Tauben und Ihre Feinde, die auch dort lauern, unser nicht abreissendes Hauptthema. Die erste Station ausserhalb Wiens bei Marino Zivkovic in Guntramsdorf. Der sehr sympathische, junger Mann begrüsste uns in  einer wirklich sehenswerten, praktischen Anlage für unsere Hochflieger, die in eine Kleintierzuchtanlage eingegliedert ist. Ich bekam dort wunderschöne Wiener Hochflieger in hell und gekranzelt zu sehen. Was mir aber sofort in die Augen stach, waren  Dunkelstörche, die ich zuerst als Wiener dunkelgestorchte Hochflieger einstufte.  Bald wurde ich aber belehrt, dass es sich um „Deres“ handeln würde. Eine alte ungarische Flugtaube, die  nur in dieser dunklen Zeichnung und als Schimmel vorkommen soll. Jedenfalls ist mir diese Rasse mit der aufrechten, stolzen Haltung bis heute nicht aus dem Kopf gegangen und ich hoffe, dass ich dann der erste sein werde, bei dem diese Tauben auch in der Schweiz fliegen werden.

Marino hielt alle seine Zucht-Tauben fest. In der angebauten Voliere haben die Tiere genügend Bewegungsfreiheit. Wie bei uns, ist es nicht mehr möglich, die Zuchttauben wegen Verlustgefahr fliegen zu lassen. Im Flugschlag sassen dafür die ersten abgesetzten Jungtiere und machten dann, nach dem Öffnen der Ausflugsklappe, auch die ersten kleinen Hopser in die Lüfte um sich gleich wieder auf dem Dach niederzulassen.

Bei Marino bekam ich erstmals Erlauer Hochflieger zu Gesicht. Eine russig, dunkelblaue Taube, der man  einen rassigen Flugstil und ein sehr grosses Heimfindevermögen nachsagt. Übrigens Marino entpuppte sich auch als wahrer Künstler, Maler und Bildhauer. Spontan schenkte er mir einen Wiener hellgestorchten Tümmler auf Leinwand in Öl gemalt. Nach der Demonstration eines indischen Bodenpurzlers (nicht mein Fall) ging dann  die Fahrt weiter nach Hirtenberg zum Heurigen-Wirt Josef Steinacher.

Steinacher besitzt einen ansehnlichen Zuchtstamm an Wiener hellgestorchten Hochfliegern mit vorwiegend kranzhalsigen Tauben. Seine markantesten und schönsten Tiere stellte er vor uns in den Schaukäfig, um  die körperlichen Vorzüge dieser Tauben noch besser erläutern zu können. Bei ihm fällt auf, dass die Zucht durchgezüchtet ist, zeigen sich doch alle Tauben vom gleichen Typ. Eine Augenweide für den Liebhaber. Gerne hätte ich seine Tauben im Fluge bewundert. Nur wer opfert schon gerne seine Zuchttiere. Also bleiben auch hier die Zucht und Reservetiere festgehalten.  Auch hier hatten  noch keine Jungtauben das entsprechende Alter. Scheinbar sagt ein ungeschriebenes Gesetz und die Erfahrung, dass mit der Zucht von Hochfliegern erst sehr spät begonnen wird. Auch ich halte mich an diese Regel, da frühgebrütete Jungtauben zum grössten Teil, eh dem Raubvogel zum Opfer fallen würden. Nach einem Glas Heurigen in der wunderschönen Gaststube von Josef Steinacher ging’s weiter.

Nur einige Schritte entfernt führte uns Erich Rumpler in seine Zucht ein. Beim Betreten seiner Anlage, stechen einem zuerst seine Wiener Gansel in die Augen. Natürlich schweift mein Blick sofort weiter zu seinen Hochfliegern. Hier bietet sich schon ein bunteres Bild, wie man es vor Jahren bei uns noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Neben seinen Hellstörchen und Rotgestrichten, fallen wie  Farbtupfer, einige rote und schwarze Tauben auf. Mit einer Farbintensität wie man sie bei Hochfliegern nur selten zu Gesicht bekommt. In beiden Farbenschlägen waren auch so genannte Weissschwingige zu bewundern. Bei diesen Tauben sind die äussersten 6-7 Schwingen von reinweisser Farbe. Im  Fluge müssen sie ein ganz besonders schönes Bild abgeben. Bis heute habe ich weissgeschwingte Hochflieger nur im blauen Farbenschlag gekannt und auch gezüchtet. Scheinbar scheinen auch im Ursprungsland die bunten Wiener-Stiche an Beliebtheit zu gewinnen.

Nächste Station bei unserem Fahrer und Taubenpreisrichter Ernst Sacher. Schon der erste Eindruck seiner Anlage, lässt auf einen Mann schliessen, der sein Herz der Kleintierzucht verschrieben hat. Zur Begrüssung tummelt sich eine Schar bunter Zwerghühner auf dem Rasen vor der Anlage.  Eine Riesenanlage mit Rassen die jedem Wienerzüchter das Herz höher schlagen lässt.  Neben Wiener Ganseln in allen Farben ist praktisch die ganze Palette an Farbenschlägen der Wiener-Tümmler vertreten. Neben den feinen, rein schwarzen, schwarz- und rotgestorchten, roten sind mir  besonders die blaugehämmerten Tiere, die ich bisher in keiner Zucht zu Gesicht bekommen habe, aufgefallen. Eine Volière mit Deutschen Nönnchen in schwarz rundet das Bild ab. Viele der Tauben werden im doppelstöckigen Taubenhaus im Freiflug gehalten. Sacher betreibt seine Zucht mit einigen Zuchtpaaren, die er aus der Vielfalt von mehr als 200 Tieren herauspickt, in grossen Einzelboxen zur Zucht bringt und dann wieder dem Flug übergibt. Auf diese Weise hat er die Garantie, dass die Nachzucht wirklich vom Wunschpaar stammt.  Nur zu schnell verstrich die Zeit! In der wohnlichen Küche von Familie Sacher wurde bei von Frau Sacher Selbstgebackenem und Kaffee weiter gefachsimpelt und Gedanken ausgetauscht. Mit dem Standart für Wiener Hochflieger unter dem Arm verabschiedeten wir uns aus „Sacher’s Anlage mit integriertem Einfamilienhaus“.

Schönheits-Standart für Wiener Hochflieger ? Schon bei meinem ersten Besuch staunte ich nicht schlecht, wie sehr auf das Aussehen und eben standartgerechte Erscheinungsbild der Hochflug-Tauben Wert gelegt wird. Ich musste mich belehren lassen, dass sie sogar an Ausstellungen bewertet werden und scheinbar immer wurden. Eine Entwicklung, die mich etwas befremdet, wurden für Ausstellungszwecke doch früher die zierlichen Wiener Tümmler-Rassen geschaffen die aber ihre Flugfreudigkeit einbüssten, weil nur noch auf Zeichnung und Figur geachtet wurde. Für mich muss ein Hochflieger in erster Linie Leistung zeigen. Logisch stelle auch ich bei zwei gleichwertigen Tieren lieber das ästhetisch besser wirkende Tier in die Zucht ein. Flugfreudige Tauben zeigen auch im Schlag ein rassiges Erscheinungsbild und machen somit immer eine gute Figur.

Nur zu gerne hätte ich auch die Tauben von Peter Heindl begutachtet. Leider reichte die Zeit nicht mehr und ich war ja mit dem Gesehenen mehr als zufrieden. Damit habe ich Grund genug, der österreichischen Metropole bald wieder einen Besuch abzustatten.

Von meinen beiden Taubenfreunden wurde ich dann wieder zurück in Wien’s Stadtzentrum gefahren wo wir uns vor meinem Hotel herzlich verabschiedeten. An dieser Stelle darf ich mich noch einmal für die grosse Gastfreundschaft und herzlich spontane Aufnahme im Wiener-Züchterkreis bedanken.

Übrigens, es hat etwas lange gedauert, bis ich zum Schreiben dieser Zeilen gekommen bin, doch hat sich einiges getan. Durch einen Wohnungswechsel musste sich Marino von seinen Hochflugtauben trennen. Wir alle kennen die Probleme, die an neuen Orten mit der Taubenhaltung und den lieben Nachbarn auftreten können.  Jedenfalls erinnerte sich Marino meiner Begeisterung für diese Tauben und hat mir grosszügig einige Exemplare überlassen.  In der Zwischenzeit sind die ersten Deres aus Marino’s Zucht  eingewöhnt und fliegen samt Nachzucht hoch über ihrer neuen Heimat in Sissach / Schweiz.

Mit  den bis jetzt gemachten Erfahrungen kann ich sagen, dass es sich um ausgesprochene Leistungstauben handelt, die den bei mir seit Jahrzehnten gezüchteten Wienern in nichts nachstehen.  Ihre Rassigkeit und Frühreife machen das Eingewöhnen nicht immer einfach, so fliegen die Jungtauben bereits mit noch „kurzen Flügeln“ auf  und werden dadurch leider schnell Opfer der gefürchteten Wanderfalken.  Mit den Wienern geflogen, zeigen sie eine noch grössere  Nervosität und scheren bei Raubvogelangriffen sehr schnell aus dem Stich aus um, oft erst  nach Tagen,  wieder in ihren Schlag zurückzukehren.

Marino~Ernst~und~Peter~
Marino Zivcovic, Ernst Sacher und Peter Heindl (von links) vor Marinos Zuchtschlag.

 

 

 

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